Wieder mal zu Gast bei der FDP: Transatlantischer
Propagandist trommelt für TTIP
27.10.2015. Unter dem Motto „Das Freihandelsabkommen
TTIP – Segen oder Fluch“ luden die Döbelner FDP, der FDP-Landtagsabgeordnete
Benjamin Karabinski und die Friedrich-Naumann-Stiftung ins Döbelner
Freizeitzentrum WelWel ein. Der Vortragsredner war ein gewisser Jacob Schrot,
seines Zeichens Gründer und Ehrenvorsitzender der „Initiative junger
Transatlantiker“ (IjT) – also jener Schlag seltsamer Menschen, die freiwillig
einen Bückling vor der US-amerikanischen Kolonialmacht vollziehen.
Herr Schrot war ein begnadeter Rhetoriker, der es schaffte,
sich als neutral darzustellen bzw. so tat, als ob er sich der Frage „Was ist
TTIP?“ völlig objektiv näherte, wobei er sämtliche Kritik mit moderaten,
einlullenden Worten als lächerlich und von den üblichen Panikmachern geschürt,
beiseite wischte. Durch seine sachliche, nicht ausfällig werdende Sprechweise
erzeugte Schrot das Gefühl bei den Zuhörern, die Fakten rundum TTIP sachlich zu
erörtern, doch in Wahrheit war das Ganze eine Propagandavorstellung ersten
Ranges, da der Redner nicht die Vor- und Nachteile des Freihandelsabkommens
gegeneinander abwog, sondern einseitig die Notwendigkeit von TTIP bzw.
ähnlicher Abkommen betonte. Auch äußerte der Redner Kritik an den beiden
Döbelner FDP-Stadträten, welche dem von mir initiierten Antrag zugestimmt
hatten, daß sich die Stadt Döbeln (nach einer Vorlage des Deutschen Städte- und
Gemeindetages) gegen TTIP ausspricht. Ich, der gemeinsam mit dem linken
Vize-Bürgermeister Lothar Schmidt und dem Leiter des „Politischen Stammtisches
der Döbelner Linken“, Peter Pöschmann, so eine Art „oppositionellen Ecktisch“
besetzt hatte, verteidigte erst einmal die beiden Stadträte, die auch selbst
anwesend waren.
Auf die mehr grundsätzliche Kritik des
klassenkampfgestählten Peter Pöschmann reagierte Schrot nach einiger Zeit etwas
gelangweilt und ließ sich zu dümmlichen Bemerkungen von der
„Deutsch-sowjetischen Freundschaft“ hinreißen, was zeigt, daß man ihn nur etwas
argumentativ bedrohen mußte, damit er sein wahres Gesicht zeigt. Denn
schließlich ist der junge Herr Schrot auch Präsident des Verbandes der
Deutsch-Amerikanischen Clubs (VDAC) – ist also fest in die transatlantischen
Seilschaften, die unser Land beherrschen, eingebunden.
Neben einem jungen Mann, vermutlich noch ein Schüler, der
wie ich an dem Berliner Protest gegen das Freihandelsabkommen am 10.10.2015
teilgenommen hatte, traute sich nur ein Herr, der extra aus der Chemnitzer
Region angereist war, Fragen zu stellen. Er war FDP-Mitglied, bekennender
Sozialliberaler, durchaus generell US-freundlich eingestellt und juristisch
bewandert. Er äußerte starke Vorbehalte gegen die Schiedsgerichte, welche das
nationale Recht aushöhlen und möglicherweise zur Kostenfalle für den
Steuerzahler werden, doch Herr Schrot wischte die Bedenken beiseite und verwies
auf bereits bestehende Freihandelsabkommen (u.a. zwischen BRD und Pakistan) und
erklärte, daß sich keine Klagewelle eingestellt habe und im Gegenteil nur sehr
wenig derartige Klagen in den letzten Jahrzehnten eingegangen seien. Er
verschwieg allerdings, daß Pakistanis im Allgemeinen nicht so klagefreudig
sind, wie der durchschnittliche US-Amerikaner, zumal es Entwicklungsländer
meistens vermeiden, vor internationale Gerichte zu ziehen und ihre
„Geldgeberländer“ zu verklagen, während die USA nur zu gern schwächere Staaten
vor Gerichte zerren. Es gibt in den USA bereits ganze Rudel von hochkarätigen
Anwälten, welche nur auf die Etablierung der Schiedsgerichte warten, um andere
Staaten mit Klagen zu überziehen und dabei dicke abkassieren können.
Auf meine Frage nach der alternativen Studie zu TTIP, welche
die Universität Masachusetts mit einem moderneren, den UNO-Standards
entsprechenden Rechenmodell durchgeführt hatte und nach welcher nicht die von
der EU propagierten sagenhaften 0,3% Wirtschaftswachstum erreicht werden,
sondern, im Gegenteil mit dem Verlust von 600.000 Arbeitsplätzen in Europa
gerechnet werden muß, reagierte Schrot sichtlich geschockt bzw. überrascht. Der
„objektive“ Herr Schrot gab zu, beide Studien zu kennen, obwohl er zuvor die
andere mit keinem Wort erwähnt hatte, da sie den wirtschaftlichen Nutzen des
Abkommens wesentlich kritischer sah.
Er wand sich wie eine Natter, denn er hatte aus gutem Grund
den ganzen Vortrag lang immer wieder betont, nicht über konkrete Zahlen des zu
erwartenden Wirtschaftswachstums (mickrige 0,3%) sprechen zu wollen.
Fazit: Herr Schrot, der mir nach der Veranstaltung im
Vorbeigehen immerhin noch bestätigte „gute Fragen“ gestellt zu haben, war ein
klassischer und sehr gut ideologisch eingenordeter Transatlantiker, an dem
unsere Herren über dem Großen Teich sicher noch sehr viel Freude haben werden.
Ob er sich aber zum Kanzler der BRD eignet – er war Gewinner des ZDF-Polittalks
„Ich kann Kanzler“ – dürfte allerdings fraglich sein, da er eher die Interessen
unserer imperialen Hegemonialmacht USA als die des eigenen Landes zu vertreten
scheint.
Kay Hanisch, Döbeln